… das Pferd sich bereits weigert, in die Nähe des Anhängers zu gehen, die Rampe nicht betreten will, zwar einsteigt, aber nicht stehen bleibt oder sogar während der Fahrt im Anhänger randaliert? Gerade Pferde mit schlechten Erfahrungen entwickeln oft Extreme, die nur mit der richtigen Technik und oft viel Geduld in den Griff zu bekommen sind. Verlade-Profis Linda Weritz, Thomas Günther und Bernd Hackl geben Tipps. Eines aber gleich vorweg: Wer die Herausforderung nicht relativ zügig meistert, sollte einen Experten zu Rate ziehen.
Wer das Glück hat, ein Fohlen oder Jungpferd mit dem Pferdeanhänger vertraut zu machen, und dies mit korrekter Basisarbeit am Boden vorbereitet, wird in den seltensten Fällen Probleme mit dem Einsteigen haben. Aber… oftmals sind die Verhältnisse eben nicht so, wie Linda Weritz, Leiterin der Hippologischen Akademie und u.a. auch Autorin des Werkes „Handbuch Pferde verladen“, beschreibt: „Verladeprobleme entstehen überwiegend aus unüberlegtem bzw. planlosen, emotionsgeladenen und/oder aggressivem Verhalten des Menschen in der Verlade- oder Transportsituation. Selbst sehr erfahrene Leute sind oft überfordert, wenn es darum geht, Pferde verladefromm zu trainieren.“
Und dann gibt es natürlich noch die traumatisierten Pferde, die durch ruppiges Fahrverhalten oder schlechte Stoßdämpfer im wahrsten Sinne des Wortes ins Schleudern gekommen sind, vielleicht sogar einen Unfall hatten. Kein Wunder also, dass sie wenig gute Erinnerungen mit dem dunklen und wackeligen Gefährt verbinden.
In allen Fällen heißt es, die Aufgabenstellung von Grund auf neu zu trainieren. Das gilt für das Pferd, aber auch – und da liegt der Hase wie so oft im Pfeffer – für seinen Menschen: „Das Pferd wünscht sich eine selbst- aber vor allem auch verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, welche die idealen Entscheidungen trifft und sich stets berechenbar verhält. Der Mensch muss das Pferd mit seiner Körpersprache und Ausstrahlung mutig überzeugen können und es dabei empathisch motivieren und kompetent leiten“, so die Kommunikationswissenschaftlerin Linda Weritz.
Thomas Günther, Gründer und Geschäftsführer von Pro Ride Horsemanship, betont die Bedeutung der inneren Einstellung: „Wir möchten das Pferd wie ein positiv eingestellter Sporttrainer oder Tanzpartner bestimmt und doch sanft überzeugen“.
Aber selbst wenn die „normale Bodenarbeit“ gut funktioniert, so „ist das Verladen und Transportieren des Pferdes auch für die meisten Menschen keine Routine, sondern ein Prozess, der aufgrund seiner potenziellen Risiken und Tücken Stress verursacht. Stress, den das Pferd schon meilenweit vor dem eigentlichen Gang zum Hänger wahrgenommen und aufgegriffen hat. Keine gute Voraussetzung für das Training am Anhänger“, bemerkt Linda Weritz.
Wahre Worte. Aber wie meistert man die Situation?
„Die wichtigste Vorbereitung für das Verladen ist eine gute Bodenarbeit, in der das Pferd lernt, sich kontrolliert in alle Richtungen bewegen zu lassen. Wir trainieren grundsätzlich mit Knotenhalfter, langem Strick und einer 1,20 m langen Gerte oder Stick, die quasi den verlängerten Arm darstellt“, erklärt der bekannte Pferde-Profi Bernd Hackl. Er hat seiner Ranch den Namen „7 P“ gegeben, was für „Proper Prior Preparation Prevents Piss Poor Performance“ steht.
Kaffeepause am Anhänger
Zeigt das Pferd bereits bei der Annäherung an das Transportfahrzeug Panik, ist Ruhe und Geduld das erste Gebot. Hackls Herangehensweise mag unkonventionell sein, aber oft heiligt der Erfolg die Mittel: „In so schweren Fällen der Panik bringe ich das Pferd vor dem Reiten Schritt für Schritt nahe an den Anhänger, setze mich auf den Kotflügel und trinke eine Tasse Kaffee. Das Pferd soll einfach nur ruhig danebenstehen. Nach zehn Minuten gehen wir vom Anhänger weg zum Reiten. Die Idee: Ich baue keine Erwartungshaltung auf, ich will nicht verladen, ich will nur Ruhe. Nach drei bis vier Tagen ist die Angst in der Regel weg.“
Letztlich geht es also darum „den Anhänger zur Komfortzone zu machen“, ergänzt Linda Weritz.
Schritt für Schritt, vor und zurück, führt Thomas Günther die Pferde heran, um dann letztlich auf geradem Weg direkt vor das Gefährt zu gelangen.
Vorübungen für die Rampe
Eine weitere Hürde ist für viele Pferde dann der Schritt auf die Rampe. Sie besteht aus unbekanntem Material, es gibt eine kleine Stufe und dann klingt es auch noch hohl, wenn man darauf tritt. Alles zusammen Grund genug für das Fluchttier Pferd, sich hier fern zu halten. Eine erfolgversprechende Vorübung kann hier sein, das Pferd zunächst mit unbekannten Untergründen wie Teppichen, Planen, Brettern oder Trail-Brücken (soweit vorhanden) vertraut zu machen.
Auch hier – man erinnere sich – geht es wieder um das korrekte Führen und viel Ruhe und Pausen um die eigentliche Lektion herum. Oft kann es zielführend sein, das Pferd um das Objekt am langen Strick in Bewegung zu halten, in verschiedenen Richtungen darum herum zu longieren und dabei quasi unbemerkt immer näher an die Plane heranzubringen.
Ein kleiner Schritt für den Menschen, aber ein großer für das Pferd
Wenn es dann doch an den Pferdeanhänger geht, führen, so scheint es, viele Wege hinein: Linda Weritz bleibt immer auf der Klappe stehen: „Nicht frontal, sondern immer in einem Winkel zum Pferd, dass es auch einen Schritt seitwärts gehen kann. Mit pulsierendem Druck versuche ich es dazu zu bringen, wenigstens einem Huf auf die Rampe zu stellen, und sei es nur aus Versehen. Das ist dann der Moment für großes Lob“.
Bernd Hackl geht mit dem Pferd bis zu dem Punkt, an dem es stehen bleibt. „Dieser Punkt bedeutet für das Pferd gewissermaßen einen Ruhepunkt, an dem es sich wohlfühlt. Von dort schicke ich es mit der Hand am Halfter ruhig einen weichen Schritt zurück und sofort wieder einen Schritt nach vorne. Die Idee ist, dass das Pferd versteht, dass ‚Vorwärts‘ der Weg zum Ruhepunkt ist. Diese Übung wiederhole ich so oft, bis ein Huf auf der Rampe steht. Jetzt ist es wichtig, dem Pferd sofort eine Pause zu geben, zum Beispiel ruhig um den Anhänger zu gehen. Ich lasse es bewusst nicht grasen, weil dies uns dies komplett aus der Arbeitssituation brächte. Nach ein paar Minuten wird die Übung dann fortgesetzt.“
„Wenn das Pferd an der Rampe noch zu viel Widerstand zeigt, muss man auch bereit sein, einen Trainingsschritt zurück zu gehen und das Führen über Bretter oder Planen zu üben“, empfiehlt Thomas Günther.
Ist das Pferd letztlich bereit, die Rampe zu betreten, sollte es darauf entspannt schrittweise vor und zurück gehen und in jeder Position anzuhalten sein. „Das entspannte Stehen – wo auch immer – ist eine eigene Lektion, die das Tier lernen muss“, so Günther
Entspannung im Anhänger
Es gibt Pferde, die den Anhänger noch ruhig betreten, dann aber, sobald sie merken, dass die Heckstange geschlossen werden soll, panisch zurückrasen. Hier ist wieder Ruhe angesagt und das entspannte „Hin- und Herschaukeln“. Steht das Pferd dann lässt man es erst einmal stehen, ohne die Heckstange einzuhängen. Jetzt kommt die Phase der Abhärtung und Desensibilisierung. „Viele Leute machen den Fehler, die Heckstange leise und vorsichtig einzuhängen. Irgendwann rappelt es dann doch, das Pferd erschrickt, springt zurück und fühlt sich eingesperrt. Wir trainieren das Klappern und Rascheln der Plane gleich am Anfang. Wie bei allem, ist auch hier natürlich das Einschätzen des Pfetdes und das Vorgehen mit Gefühl erforderlich. Wenn uns das Pferd Vertrauen schenkt, ist es ihm letztendlich egal sein, was hinter ihm passiert“, erzählt Bernd Hackl aus Erfahrung.
Übung macht den Meister
Funktioniert alles gut, ist es aber gerade bei Pferden, die noch keine Routine beim Verladen und Fahren haben, wichtig, ebendiese zu etablieren. Konkret: Das Pferd nach der Reise nicht aus dem Anhänger rückwärts aus dem Anhänger rasen lassen und froh sein, dass man heil angekommen ist, sondern „gerade mit schwierigen Pferden das entspannte Ein- und auch Aussteigen immer wieder üben. Was spricht dagegen, das Pferd am Ankunftsort noch einmal einsteigen zulassen?“, gibt Thomas Günther zu denken. Oder ohne bestimmtes Reiseziel, das Pferd einfach einmal einladen, entspannt eine Runde um den Hof fahren und wieder ausladen und auf die Koppel entlassen. Das bringt nicht nur Routine für das Pferd, sondern – und gerade das ist für die eigene „Führungsqualität“ so wichtig – auch den Menschen. Denn wer genau weiß, dass sich sein Pferd immer und überall ruhig verladen lässt, baut auch selbst keinen Stress auf.
oder so…
Extremfall Randalieren im Anhänger: Training NUR beim Experten!
Es gibt am Ende auch Pferde, die ruhig einsteigen und dann, sobald es losgeht oder nach kurzer Fahrt, im Anhänger randalieren, steigen, sich losreißen und versuchen, das Fahrzeug irgendwie zu verlassen. Diese Situation zu meistern und dem Pferd erneut Vertrauen in die eigentliche Fahrsituation (wieder) zu geben, gehört – da waren sich bei den Interviews alle drei Profis einig – ausschließlich in Expertenhand. Also bitte niemals auch nur im Entferntesten mit dem Gedanken spielen, mit dem Pferd im Anhänger zu bleiben. „Das ist lebensgefährlich. Und dieses Risiko einzugehen ist kein Pferd der Welt Wert“, so alle Experten.