Wen es in die Region um Houston verschlägt, der findet abseits der lauten und von endlosen Verkehrsstaus geplagten Ölmetropole als Reiter und Familienmensch wunderschöne und interessante Orte, an denen er die Seele baumeln lassen, reiten oder mit Pferden anderweitig arbeiten sowie am Strand die Sonne genießen kann. Für texanische Verhältnisse ganzn in der Nähe: Der Golf von Mexiko und San Antonio.
Back to the basics – das ist das Prinzip von Don Hutson auf seiner Ranch „The Cowboy Solution“. Wir bzw. unser Navi findet die Ranch nach einer etwa anderthalb stündigen Fahrt, u.a. durch den Sam Houston National Forest etwa 90 Kilometer nördlich der Metropole Houston in einem Nest namens Richards. Nach dem Trubel am Flughafen kann man hier die Stille hören – etwas verspätetes abendliches Vogelgezwitscher, sonst nichts. Und nach Sonnenuntergang finsterste Nacht unter einem weiten Sternenhimmel.
Don empfängt uns herzlich. Das tun fast alle Texaner, stolz auf ihre „Southern Hospitality“, die seit Jahrhunderten gute Tradition in diesem weiten Land ist. Und es tut gut, nach einer insgesamt fast 20-stündigen Reise freundlich aufgenommen zu werden. Als Don sagt „let me show you our barn“ glauben wir es nicht.
Für 500 Dollar Übernachtungspreis im Stall schlafen? Dabei kann es sich nur um einen Witz handeln. Aber tatsächlich: In einem ehemaligen Pferdestall wurden die sechs Boxen – jeweils drei links und rechts der Stallgasse – mit Doppelbetten und einem verzweigten Ast als Kleiderständer eingerichtet. Anstatt Wänden Gitter mit Vorhängen. Am Ende links zwei Gemeinschaftsduschen plus jeweils eine Toilette. Gut dass wir die einzigen Gäste sind…
Back to the Basics – das ist wie gesagt das Prinzip der „Cowboy Solution“, mit der Don Hutson, Professor der Musikwissenschaften und ehemaliger Dirigent eines Symphonie-Orchesters, sein heutiges Geschäft betreibt, für das er sehr erfolgreich Pferde quasi als Lehrer einsetzt: Menschen, überwiegend Teams mit Führungskräften und deren Mitarbeitern zu zeigen, wie vertrauensbildende Kommunikation als Basis für „Leadership“ funktioniert. Voraussetzung dafür ist eine völlig andere als die gewohnte Situation, weg vom gepolsterten Bürostuhl und hin zu den wesentlichen Dingen dieses Lebens.
Kommunikation als Basis für Vertrauen
Diese Idee findet ihre Fortsetzung in der simplen Kommunikation mit dem Pferd, das dem Menschen, je nachdem, wie er sich gegenüber dem Tier verhält, ehrlich zeigt, ob es ihm vertrauensvoll folgen will oder nicht. „Ziel der Übungen, in denen eine Person ein Pferd zum Beispiel in einem etwa 20 Meter großen Kreis zum Laufen aktivieren und wieder anhalten soll, ist es, den Menschen die Wirkung ihrer Körpersprache als Mittel der nonverbalen Kommunikation überhaupt erst bewusst zu machen“, erklärt der durchaus charismatische Ex-Dirigent überzeugend. Sie sehen dann ganz spontan, ob sie zu vorsichtig oder aggressiv auf das Tier zugegangen sind und können daraus auch Rückschlüsse auf ihre zwischenmenschliche Kommunikation ziehen.
Diese Arbeit soll zwei wesentliche Erkenntnisse bringen. Erstens: Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Teambildung und -arbeit ist das Vertrauen untereinander und zur Führungskraft. Zweitens: Vertrauen wird sehr stark durch nonverbale zwischenmenschliche Kommunikation aufgebaut und gefestigt.
Das Pferd reagiert auf die Aktionen des Menschen vorbehaltlos und ehrlich. Es verkörpert daher im Grunde einen genauen Spiegel der Aktionen des Menschen: Geht er zu aggressiv auf das Pferd zu wird es flüchten, nähert er sich freundlich, aber bestimmt, wird es langsam vorangehen. Agiert er zu vorsichtig, wird es ihn ignorieren.
Aha-Effekt
Die Arbeit mit dem Tier soll den Kursteilnehmer sensibilisieren, sich seine Verhaltensweisen bewusst zu machen, die auch im menschlichen Miteinander von größter Bedeutung sind. „Es ist immer wieder beeindruckend, wie schnell Firmen-Teams, die dieses einfache Miteinander und die Kommunikation mit dem Pferd erleben, erkennen, worauf es in zwischenmenschlichen Beziehungen ankommt und wie positiv sich dies auf das Vertrauen, Führungsverhalten und in der Konsequenz auf die bessere Zusammenarbeit und Effizienz in Unternehmen auswirken kann“, erklärt Don Hutson.
Allerdings funktioniert der „Aha-Effekt“ vor allem bei Menschen, die bisher keine Berührung mit dem unbekannten Wesen Pferd gemacht haben. Wer nämlich weiß, wie man ein Fluchttier im Kreis bewegt, kann dies höchst sensibel tun und in seiner Abteilung dennoch mit Angst regieren…
Zurück zur Natur: Cowboy Campout
Aber nicht nur Leadership-Ambitionierte können im Cowboy Campout zurück zum Wesentlichen finden: Wem die Scheune noch zu komfortabel ist, der findet in einem Zelt jenseits der Pferdekoppel die komplette Ruhe, um zu sich selbst zu finden, unterbrochen lediglich durch ein gelegentliches Pferdewiehern oder Hufgetrappel. Die Gäste können am Lagerfeuer Steaks grillen oder vom Cowboy Campout Team zubereitete texanische Hausmannskost genießen. Tagsüber lädt der Sam Houston National Forest zum Ausreiten ein, in dem man stundenlang auf Quarter Horses die Seele baumeln lassen kann.
Kontrastprogramm: Family Fun am Golf in Galveston
Nach dem Cowboy Campout und den Wesentlichen (Reiter)Dingen dieses Leben bietet Galveston am Golf von Mexiko, nur 40 Minuten (wenn kein Mammut-Verkehrschaos diese Planung verdirbt) südlich von Houston, eine quirliges Kontrastprogramm mit dem Charme einer Südstaaten-Kleinstadt: Auf der gut 50 Kilometer langen und nur sechs Kilometer breiten Insel wird jeder auf seine Art fündig:
Da gibt es alte viktorianische Architektur, von der vor allem der Bishop’s Palace des Eisenbahn-Magnaten Walter Gresham mit seinem elegantem Interieur und Spitztürmchen beweist, wie gut es sich die bessere Gesellschaft des 19. Jahrhunderts hier hat gehen lassen.
Im historischen Hafen bietet die „Pier 21“ eine abwechslungsreiche Auswahl an Attraktionen. Zahllose Galerien und Antikläden laden zum Bummeln und Staunen ein, Cafés, Candy-Shops mit Live-Bonbonherstellung und Restaurants zum Entspannen und Genießen. Im Pier 21 Theater informiert eine knapp halbstündige Dokumentation über den „Großen Sturm“, der im Jahr 1900 Galveston zerstört hat.
Im Ocean Star Oil Rig Museums erfährt man – gesponsert von den entsprechenden Industrien – wie wichtig und vor allem wenig gefährlich das Offshore-Ölgeschäft ist, Pannen wie die der Deepwater Horizon scheint man da schlicht vergessen zu haben. Außerdem gibt es ein Eisenbahn-Museum, Hafenrundfahrten und das Lone Star Flight Museum mit einer ausgesuchten Auswahl restaurierter Flugzeuge.
Wer sich Galveston – wenigstens eine Sekunden lang – von oben anschauen möchte, kann dies zahllosen Fahrgeschäften aus tun. Dazu gehören u.a. das 30 Meter hohe Riesenrad „Galaxy Wheel“ oder, etwas rasanter, die Achterbahn namens „Iron Shark Rollercoaster“. Alle diese und noch deutlich mehr Fahrgeschäfte, Restaurants und Shops finden sich auf der “Galveston Island Historic Pleasure Pier” am anderen Ufer der Insel am langen Strand.
Eine hervorragende Hotelempfehlung ist das Moody Gardens Hotel. Es bietet auch ein umfangreiches Wellness-Center und – für Naturliebhaber – schräg gegenüber zwei Pyramiden, die zum einen ein ansehnliches Aquarium und zum anderen einen künstlichen Regenwald, den Moody Gards Rainforst beheimaten.
Letzterer wurde erst kürzlich für 25 Millionen Dollar renoviert, so dass die Besucher heute eine neben hunderter gefährdeter Arten und tropischer Pflanzen auch eine bunte Auswahl tropischer Vögel im Freiflug und possierliche Äffchen auf ihren Bäumen beobachten können.
Mexikanischer Flair: San Antonio
Die Frozen Margarita, eiskalt und Limonen-spritzig, perlt angenehm auf der Zunge und tut unendlich gut am kühlen San Antonio River Walk. Wir sitzen etwas erhöht auf der offenen Terrasse des „Republic of Texas“, einem der zahllosen Restaurants an diesem Uferweg, der beidseits des Flusses eine der Hauptanziehungspunkte von San Antonio ist.
Hier kann man endlos schlendern, Menschen jeden Alters, aller Hautfarben und Nationalitäten beobachten und den Tag nach einer langen Reise – von Galveston sind es gut 400 Kilometer – ausklingen lassen. Wer das Flüsschen und den River Walk gerne vom Boot aus erleben und zugleich Interessantes über die Stadt erfahren möchte, kann dies auf einer etwa einstündigen Fahrt auf einem Boot der San Antonio Cruises tun.
Auf keinen Fall entgehen lassen darf man sich hier das berühmte Texmex-Food, die Kombination aus texanischen und mexikanischen Köstlichkeiten, die der Hungrige Gast zum Beispiel im Restaurant „Mi Tierra“ genießen kann, das zu jeder Jahreszeit mit überaus bunter weihnachtsähnlicher Dekoration und Lichtern geschmückt ist. Aber Vorsicht: eine einzige Portion knackiger Tacos, saftiger Tortillas und würziger Enchiladas können eine ganze Familie satt machen…
Remember the Alamo
San Antonio bietet aber auch allerlei kulturelle Highlights: Da ist vor allem „The Alamo“ zu nennen, jene zum Fort umgebaute Missionsstation, in der die texanischen Verteidiger in der Schlacht von Alamo im texanischen Unabhängigkeitskrieg von 1835 bis 1836 von den Mexikanern besiegt wurden. Der mexikanische Sieg währte allerdings nur sehr kurzfristig: Drei Wochen später siegten die Texaner unter Sam Houston in der kriegsentscheidenden Schlacht und Texas wurde zunächst unabhängige Republik, bis es 1845 den USA beitrat.
Durchaus sehenswert ist auch die große und innen reich geschmückte San Fernando Cathedral aus dem Jahr 1738 direkt neben dem Gerichtsgebäude, das ein großer Brunnen mit einer darauf stehenden Justitia aus Bronze ziert.
Ein Westernhut für den Papst
Als gewisse Kuriosität kann man den seit 1917 bestehenden Hutmacher „Paris Hatters“ bezeichnen, der als ältestes Geschäft San Antonios ein paar Minuten vom Alamo entfernt in der Broadway Street residiert. Der Tradition bewusst, hat sich das Interieur des Shops seit nunmehr fast 100 Jahren kaum geändert: Die Registrierkasse aus den 30ern knarzt und kracht, ist aber immer noch im Einsatz, ebenso wie die alten Holzformen.
Heute betreibt „Abe the Hatter“ (der Nachname wird nirgends genannt), wie er in Insiderkreisen genannt wird, das Geschäft in dritter Generation und fertigt alle Hutmodelle, vorrangig aber natürlich Westernhüte, aus Kaninchen- oder Biberfilz für bis zu 7.000 Dollar nach Maß. Dabei wird nicht nur die Kopfform des Kunden berücksichtigt, sondern auch seine Größe, Schulterbreite, Körpergewicht und Statur, damit das teure Stück auch zur Gesamtpersönlichkeit passt.
Wer’s preiswerter möchte, kann natürlich auch oder einen Strohhut für 20 Dollar oder für etwas mehr einen Stetson von der Stange kaufen und zeigt uns voller Stolz seine respektable Kundenliste, auf der sich Berühmtheiten von Präsident Truman bis George Bush, Dean Martin, Garth Brooks und sogar Papst Johannes Paul II finden. Ob letzterer dem Traditionsstück im St. Peters Dom die nötige Ehre erwiesen hat, bleibt allerdings zu bezweifeln.
Erholsame Oase am Land
Obwohl es für Kulturinteressierte durchaus angenehm ist, in der Stadtmitte zu wohnen und alle Touren vom Hotel aus zu Fuß zu unternehmen, bietet sich für Erholungssuchende oder Golfer – oder einfach nur für ein kleines Lunch im Grünen – das Hyatt Regency Hill Country Resort and Spa etwa 30 Kilometer außerhalb im Westen von San Antonio an. Hier lässt es sich genüsslich speisen oder auch ein Wochenende lang am Golfplatz entspannen, wobei man sich umfangreiche Behandlungen in dem wirklich sagenhaften Wellness-Center gönnen sollte.
Auf dem Weg dorthin liegen praktischerweise auch Einkaufszentren sowie, für (Western)Reiter besonders attraktiv, Stiefel-Shops wie „Little’s Boot Company“, „Lucchese“ und „Cavender’s Boot City“ sowie eine Filiale der Western-Outfitter-Kette „Shepler’s“.
Fotos: Lars Jessen