Ein neues Zugfahrzeug zu kaufen ist eine spannende Sache. Welcher Typ, welche Größe, welcher Hersteller darf’s denn sein? Eines dürfte kar sein: Pferdesportler, die mit ihren Vierbeinern verreisen, brauchen meistens Platz. Dazu sind sie als Turnierreiter oft auf schlechtem Boden unterwegs. Schon diese beiden Aspekte bringen uns zu Frage: Kombi oder multifunktionales Allrad-SUV? Wo liegen die Vorteile beider Varianten? Wir haben uns Gedanken gemacht und bei Fahrzeugspezialisten umgehört.
Schaut man sich auf Deutschlands Straßen und Parkplätzen um, so bestätigt ein erster Blick: Wir sind auf dem SUV-Trip. Kaum ein Hersteller kommt heute ohne diese Modellvariante aus, sogar Jaguar und Maserati, einst rassereine Sportwagenbauer, setzen heute auf den F-Pace oder Levante. Der aktuellen Berichterstattung zufolge will sogar Ferrari 2019 ein SUV auf den Markt bringen.
Der Trend der Zeit geht also zum „Hochsitz“ anstatt in den Niederungen des eher als bieder verrufenen Kombis zu versinken. Dennoch lohnt es einmal genauer hinzusehen, welches Fahrzeug für welchen – überwiegenden – Gebrauch tatsächlich das geeignetere ist.
Gerade nochmal gut gegangenEin Tag wird uns immer in Erinnerung bleiben: Unsere Quarter Horse Stute Mara erkrankte an einer lebensbedrohlichen Kolik. Diagnose des Arztes um sieben Uhr abends: Ab in die Klinik. Es war dunkel, kalt und schneite in dicken Flocken. Der Wiesenparkplatz des Reitstalls war vereist, die Straßen trugen eine geschlossene Schneedecke. Unser Zugfahrzeug: Ein 200 PS-Sportler mit Heckantrieb, der im Sommer gelegentlich für einen kurzen Ausflug ins Gelände genutzt wurde. Der würde heute, das war klar, den Karren nicht aus dem Dreck ziehen und zudem mit der kostbaren Last womöglich in Kurven noch ins Schleudern kommen … Glücklicherweise war ein guter Freund erreichbar, hatte zufällig auch Zeit und auch Lust, uns mit seinem Toyota Landcruiser, einem Geländewagen, der über jede Zuganforderung auf allen Böden im wahrsten Sinne des Wortes erhaben ist, aus der Patsche zu helfen. Er transportierte das Pferd sicher in die Klinik, wo es durch konservative Behandlung geheilt werden konnte. An diesem Tag beschloss ich: In so eine Situation kommst du nie wieder. Ein anständiges Zugfahrzeug muss her. |
Was brauchen wir?
Das wichtigste Entscheidungskriterium ist der Bedarf, genauer ausgedrückt, das Nutzungsverhalten. In den meisten Fällen sind Pferdesportler mit ihren Zugfahrzeugen überwiegend ohne Anhang auf normalen Straßen unterwegs. Dafür eignet sich prinzipiell jedes Fahrzeug mit entsprechender Anhängelast – abhängig von persönlichem Geschmack und Geldbeutel. Speziell für den Pferdeanhängerbetrieb sollten aber folgende Fragen beantwortet werden, um den geeigneten Fahrzeugtyp auszuwählen:
- Welcher Pferdeanhänger mit wievielen Pferden kommt an den Haken?
- Wie viel und wie oft wird mit Pferdeanhänger gefahren, nur im Sommer oder auch im Winter?
- Wohin?
- Wie viele Personen fahren meistens mit?
- Wieviel und welches Gepäck wird geladen?
Anhängelast Entscheidungskriterium Nr. 1
Wer einen der zunehmend beliebten Großraum-Pferdeanhänger vom Typ wie z.B. Böckmann Portax L, Humbaur Notos Plus, Cheval Liberté Minimax oder Thiel Matrix mit einem Leergewicht jenseits der 1000 kg und außerdem noch zwei große Pferde mit mehr als 600 kg und dazu noch reichlich Gepäck in der Sattelkammer transportieren möchte, braucht schon allein wegen der Mindestanhängelast von mehr als 2,1 Tonnen ein SUV. Denn Kombis – selbst hochmotorisierte Sechs-Zylindermodelle aus dem obersten Regal – dürfen nicht mehr ziehen.
Das ist aber schon das einzige technische Kriterium, das den Kombi kategorisch ausschließt, alles andere ist im weitesten Sinne Geschmackssache.
Der Kombi: Biedere Familienkutsche oder flotter Alleskönner?
Spätestens seit es die neuen Modelle VW Passat, Opel Insignia oder KIA Optima gibt, fährt der „Kombinationskraftwagen“, kurz Kombi und früher auch als Caravan für „Car and Van“ bezeichnet, im flotten, schnittig-eleganten Exterieur vor.
Damit muss sich heute also keiner mehr verstecken, im Gegenteil: So sind die heutigen Mercedes T- oder BMW Touring-Modelle superschicke Autos, dasselbe gilt für die Fahrzeuge fast aller anderen Hersteller. Gleichzeitig bringen sie ein großes Platzangebot mit. Die hinteren Passagiere genießen – zum Beispiel im Skoda Superb – First-Class Beinfreiheit und im Laderaum können Koffer, Futtersäcke oder auch großgewachsene Hunde mitreisen.
Bei allen Modellen gibt es zudem umlegbare Rücksitze, so dass je nach Fahrzeuggröße oft Ladeflächen mit einer Länge von an die zwei Meter entstehen. Das dient nicht nur zum Transport langer Gegenstände – Paddockzaunpfähle zum Beispiel, sollten sie nicht im Pferdeanhänger Platz finden. Zur Not kann man auch einmal relativ bequem übernachten. Die anfängliche Vermutung, dass Kombimodelle grundsätzlich mehr Ladekapazität als SUVs haben, hat sich bei der Recherche nicht bestätigt. In diesem Kriterium gibt es kaum Unterschiede.
Wie oft fahren wir und wohin?
Pferdesportler, die eher selten im Jahr ihre Tiere verladen und dabei auf „gutem Boden“ bleiben, sei es zu einem einmaligen Reiterwochenende, einem Trainingstag oder in die Klinik, und ansonsten ohne Anhang unterwegs sind, sind mit einem Kombi bestens bedient, vor allem, wenn es auch um die Kosten gehen sollte: „Ein ganz wesentliches Argument für den Kombi ist, dass der Einstiegspreis im Vergleich zu einem SUV bei ähnlicher Leistung in der Regel günstiger als der SUV ist. Das gilt auch für den Verbrauch, der aufgrund der geringeren Karosseriehöhe niedriger ist“, erklärt Bastian Meger, Pressereferent bei Kia Motors Deutschland.
Leistung und Fahrverhalten
Auf sprintstarke Leistung muss man nicht mehr verzichten, vorbei die Zeiten, in denen ein Mercedes 200 die Kasseler Berge nur auf der LKW-Spur überwinden konnte. So vermitteln viele Kombis ein ausgesprochen sportliches Fahrgefühl: Schwerpunkt und dementsprechend Sitze liegen tiefer und bieten damit gerade in hohen Geschwindigkeiten (ohne Anhänger natürlich) auch eine sattere Straßenlage. „Passat und Tiguan zeigen da deutliche Unterschiede im Charakter. Der hoch bauende Tiguan erlaubt seinem Fahrer mehr Übersicht im Verkehrsgeschehen, während der Passat Variant den Reisekomfort einer Business-Limousine bietet. Wer sich nicht entscheiden kann, der greift zum höher gelegten Offroad-Bruder des Passat Variant, dem Passat Alltrack“, so Alexandra Borejko von Volkswagen.
In den meisten Fällen haben sie auch einen längeren Radstand, der die Fahrt auch auf unebenen Straßen bequem und komfortabel macht.
Versteckt sitzende Anhängerkupplung
Nachteil der tief liegenden Karosse ist allerdings, dass auch die meist abnehmbare Anhängerkupplung und die Steckdose entsprechend weit unten angebracht und damit schlecht zugänglich sind. Gelegentlich muss man sich dafür schon auf die Knie begeben oder sogar auf den Boden legen, bei Matschwetter eine schmutzige Angelegenheit.
Diese Unbequemlichkeit haben allerdings einige Hersteller mit der Einführung einer halbautomatischen Kupplung abgeschafft. Sie fällt auf Knopfdruck aus der Halterung und wird mit dem Fuß oder der Hand arretiert. Die maximale Stufe des Luxus ist dann die komplett elektrische Kupplung, wie sie zum Beispiel im BMW Touring verfügbar ist.
Grenzen der Zugleistung
Wie eingangs schon kurz angemerkt, stoßen viele Kombis bei allen Vorteilen hinsichtlich in der Anhängelast ihre Grenzen: Wer deutlich mehr als zwei Tonnen an den Haken nehmen möchte, wird hier selbst bei den sog. Premium-Herstellern kaum fündig. So darf sogar ein 320 PS starker BMW 540d mit Dreiliter-Sechszylinder-Motor nur 2 Tonnen ziehen, beim AUDI A 6 quattro und Mercedes 350 T Allterrain sind es 2,1 Tonnen. Eine Ausnahme bildet zum Beispiel der Volvo V90 Cross Country mit einer ausstattungsbedingten Anhängelast von 2,4 bis 2,5.
Grenzen beim Antrieb
Nicht alle Kombis sind mit Allradantrieb verfügbar, der auch bei täglichen Fahrten und besonders Nässe oder Schnee grundsätzlich etwas mehr Sicherheit mit sich bringt. Wer also für das regelmäßige Training auch oder gerade im Winter zu einer Halle fährt, ist mit der Allrad-Option besser bedient als dem typischen Vorderradantrieb. Eher ungeeignet sind für winterliche Bodenverhältnisse Heckantriebe, die einen Anhänger nur mit Schwierigkeiten aus einer vereisten Parkplatzlücke des Reitstalls schleppen.
Diesem Umstand haben zahlreiche Hersteller Rechnung getragen und bieten ihre Kombis auch mit Vierradantrieb an (ebenso wie es SUVs ohne gibt…). Beispiele sind BMW Xdrive, AUDI quattro, Mercedes Allterrain oder Volvo Cross Country.
Ein Hersteller, der bis auf ein Fahrzeug seiner Palette alle mit Vierradantrieb ausstattet, ist Subaru. Die beiden potenziellen Zugfahrzeuge sind hier das Crossover-Modell Outback und das SUV Forester, die beide zwei Tonnen Anhängelast bieten. Wesentliche Unterschiede sind hier nur die größere Bodenfreiheit und höhere Sitzposition beim SUV, so die Aussage der Subaru-Presseabteilung.
Mehr als nur Image: Allrad-SUV
Womit wir bereits beim bekanntesten technischen Vorteil der SUVs angekommen sind: Hier ist der Allradantrieb bei nahezu allen Modellen zu haben, entweder permanent oder situationsabhängig automatisch zugeschaltet. Einige Modelle bieten auch eine sog. Differentialsperre, die plötzlich auftretende Drehzahlerhöhungen an dem Rad abbremsen, das z. B. seine Bodenhaftung kurzzeitig verloren hat.
Der Allradler bringt uns die Geländetauglichkeit, die wir auf Wald- oder Weide-Turnierparkplätzen so oft benötigen. Die vor allem bei Schlechtwetter zu tiefen Kuhlen ausgefahrenen Tordurchfahrten können den SUV-Fahrer nicht schrecken, weil sein Gefährt souverän durch die Furchen spurt. Aber auch im Winter, wenn Wiesenparkplätze matschig oder gefroren sind, sind wir mit dem SUV eindeutig im Vorteil.
Über allem thronen
Die höher gelegte Karosserie bringt automatisch eine hohe Sitzposition und damit einen besseren Überblick mit sich, auch ist das Ein- und Aussteigen bequemer als bei einem tiefliegenden Fahrzeug. Für das Beladen des Kofferraumes hat die Höhe zwei Seiten: Einladen vom Boden aus ist anstrengender, Ausladen dagegen leichter. Dementsprechend bieten einige große Modelle eine Luftfederung, mit der die Ladehöhe abgesenkt werden kann. Aber auch ohne diesen Luxus können schwere Futtersäcke direkt von der Ladekante einfach in eine Schubkarre gezogen werden.
Eindeutige Vorteile bietet die Höhe bei der Anhängerkupplung, die, egal ob starr, abnehmbar oder elektrisch, immer eine bequem zugängliche Steckdose hat.
Option dritte Sitzreihe
Einige SUVs wie beispielsweise Volvo XC 90, Mitsubishi Outlander oder KIA Sorento haben zudem den Vorteil, dass hier eine dritte versenkbare Sitzreihe bestellt werden kann. Die schluckt ausgeklappt zwar den Großteil des Kofferraumes, kann aber zumindest zwei kleine Personen mehr transportieren.
Fazit
Wer viel und zu allen Jahreszeiten mit seinen Vierbeinern unterwegs ist und zudem schwere Lasten schleppen muss, kommt um die Anschaffung einen Allrad-SUVs nicht herum. Für diese Anforderungen ist es schlicht das Fahrzeug der Wahl. Hier bietet der Markt eine schier unüberschaubare Auswahl an Modellen aus aller Welt und Geldbeutel und Geschmack sind hier entscheidend.
Gelegenheitsfahrer dagegen sind mit einem oft kostengünstigen Kombimodell bestens bedient. Und für Notsituationen, in denen es ums Pferdeleben geht – siehe Kasten oben – gibt es dann hoffentlich einen hilfswilligen Reiterkollegen, der aus der Patsche hilft.