Wer kein typisches „Reiterauto“ nach dem Motto „quadratisch, praktisch, gut“ sucht, sondern eine elegant-luxuriöse Limousine außerhalb der deutschen Standardschiene, die gelegentlich auch einmal einen 2 Tonnen-Pferdeanhänger ziehen soll, der ist mit dem Chrysler 300C 3.0 CRD gut beraten. Denn der amerikanische Kraftprotz steht den deutschen Wettbewerbern wie zum Beispiel der Mercedes E-Klasse nur in einem nach. Und das ist mit rund 41.000 Euro (Stand 2011) der vergleichsweise niedrige Preis inklusive einer stattlichen Serienausstattung.
Auf den ersten Blick besticht der gut fünf Meter lange und 1,88 Meter breite Chrysler 300C 3.0 CRD durch seine schiere Größe. Dieser Eindruck setzt sich auch im Innenraum fort: Man sitzt limousinentypisch relativ tief in breiten, bequemen Ledersitzen (allerdings gegen 1.700 Euro Aufpreis) mit rückenschonender Lordosestütze, die einfach elektrisch verstellbar sind. Front- und Heckscheiben sind stark abgeschrägt. Vor sich hat der Fahrer das griffige Leder-überzogene Multifunktionslenkrad und übersichtliche angeordnete Instrumente im schwarz-weißen Retro-Look, die unaufdringliche Eleganz und Stil vermitteln. Dem entspricht auch die analoge Uhr oberhalb der umfangreichen „uconnect Navigation“. Praktisch für den schnellen Richtungs-Check ist die Kompassanzeige, die in 45 Gradsegmenten die Himmelsrichtungen Nord, Nordost, Süd, Südost usw. anzeigt. Auch die Mitfahrer im Fond haben nach allen Seiten gut Platz, in der Mitte befindet sich eine bequeme klappbare Armlehne.
Sonores Schnurren
Der 218 PS starke Sechszylinder-Dieselmotor wird mit einem Startmodul angelassen, Schlüssel gibt es nur für den Notfall. Wer es nicht weiß, kann den Dieselsound nur ahnen, so leise springt der Motor ab. Die nun zu lösende Feststellbremse wird mit dem linken Fuß betätigt, daher stört kein Handbremshebel in der Mittelkonsole.
Wie viele amerikanische Wagen wird auch der Chrysler 300C 3.0 CRD ausschließlich mit Automatikgetriebe ausgeliefert – in diesem Fall mit fünf Gängen, die vollkommen unbemerkt schalten. Das ist gerade für den Anhängerbetrieb sehr, sehr praktisch.
Die ersten Meter mit Anhänger erscheinen etwas mühsam, vor allem vom Parkplatz mit einem Boden aus winterlichem Gras-Erde-Gemisch. Das hat allerdings einen guten Grund: Auf rutschigem Untergrund mit schlechter Haftung sorgen das natürlich serienmäßige ESP (Elektronisches Stabilitätsprogramm) und die Traktionskontrolle automatisch dafür, dass die Hinterräder nicht durchdrehen. Daher entsteht der Eindruck von weniger Kraft.
Sobald das Gespann aber einmal in Fahrt ist, geht es flott voran: Jetzt machen sich die 218 PS des modernen Mercedes-Motors bemerkbar, der hier unter der Haube steckt: Die Beschleunigung ist auch mit Anhänger sehr gut, was sich vor allem in manchmal nötigen Überholsituationen positiv bemerkbar macht. Das Gespann liegt angenehm satt auf der Straße, weil der Zugwagen mit gut zwei Tonnen Eigengewicht ebenso schwer ist wie sein Anhänger. So darf das Auto auch nach der aktuellen 100 km/h-Regelung mit Pferdeanhänger guten Gewissens so schnell fahren.
So richtig Spaß macht das Fahrzeug aber – nicht ganz überraschend – ohne Anhänger bei freier Fahrt auf der Autobahn: Der Kickdown zur maximalen Beschleunigung funktioniert auch noch jenseits von 160 km/h bei extremer Laufruhe. Auch nach langen Fahrten steigt man – typisch für große amerikanische Limousinen – fast erholt aus.
Erstaunlich niedrig für die Motorisierung war der Verbrauch mit zwei verschiedenen Pferdeanhängern: Mit dem etwas sperrigen Böckmann Traveller brauchte das Fahrzeug auf gut 200 Kilometern Autobahn, Landstraße und Stadt im Durchschnitt 11,5 Liter Diesel, mit dem etwas kleineren und vor allem leichteren Böckmann Duo nur 11 Liter. Im Kombinationsbetrieb in und rund um Hamburg (also ohne große Stegungen) lag der Verbrauch je nach Fahrweise zwischen 8,5 und 9 Litern.
Überraschend viel Platz im Kofferraum
Speziell für das Verreisen mit Pferden – sei es zum Turnier oder in einen Reiturlaub ist natürlich die Ladekapazität von Bedeutung. Das Volumen des sehr tief unter die Rückbank reichenden Kofferraums liegt bei 442 Litern, das sich durch die 40:60 umklappbaren Sitze noch deutlich erweitern lässt. Wer Kleinkinder mitnimmt, findet Befestigungsmöglichkeiten für Kindersitze.
Unter dem Ladeboden finden sich noch allerlei praktische Staufächer, wobei man dafür natürlich alles Gepäck darüber herausnehmen muss.
Als unpraktisch empfanden wir, dass der Kofferraum nicht mit Griff zu öffnen ist, sondern lediglich von innen per Knopfdruck (daran muss man aber vorher denken) oder dem Schlüsselmodul, das meistens schon in der Tasche steckt. Ausgesprochen unglücklich steht man da, wenn das Auto bereits verschlossen ist und der Schlüssel aus Versehen im Kofferraum liegen geblieben ist. Schlägt man jetzt die Klappe zu, hat man ein Problem…
Topthema Sicherheit
Als Grund für diese Vorgehensweise gibt Chrysler das amerikanische Sicherheitsdenken an: Dort möchte man auf jeden Fall verhindern, dass sich ein Fremder zum Beispiel während des Wartens an der Ampel am Kofferraum zu schaffen macht. Dieselbe Philosophie gilt für die automatische Türverriegelung. Nach 30 Sekunden schließen mit einem dumpfen „Klack“ alle Türen und können nur von innen wieder geöffnet werden. Wer also schnell an der Tankstelle die hintere Tür öffnen möchte, muss diese Einstellung deaktivieren.
Das automatische Anschalten des Lichtes, sobald die Türen per Fernbedienung geöffnet werden, ist sehr angenehm, weil man es zumindest vor dem Auto hell wird. Nach dem Aussteigen und Verschließen funktioniert es umgekehrt und das Licht bleibt noch etwa eine halbe Minute an.
Perfekt arbeitendes ESP
Beeindruckend gut hat das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) eingegriffen, als das Fahrzeug in einer Links-Bergabkurve mit etwa 25 bis 30 km/h überraschend auf Glatteis kam – und das unglücklicherweise bei Gegenverkehr. Jetzt heißt es: Keine Panik. Einfach in der geplanten Richtung weiterlenken, den Rest erledigt die wirklich geniale ESP-Technik. Sie verbessert die Richtungsstabilität und greift beim Über- oder Untersteuern des Fahrzeugs durch Abbremsen des entsprechenden Rades ein. Außerdem kann die Motorleistung zurückgenommen werden. Um diese Leistung zu erbringen, ermittelt das ESP ununterbrochen anhand der Sensoren im Fahrzeug den vom Fahrer vorgesehenen Weg und vergleicht ihn permanent mit dem tatsächlichen Weg. Wenn die beiden nicht übereinstimmen, wird das entsprechende Rad mit Hilfe des ESP abgebremst, um dem Über- oder Untersteuern entgegenzuwirken.
Der Fahrer registriert dies an einem deutlichen Brummen im jeweils abgebremsten Rad und während er noch mit seinem Adrenalinschock beschäftigt ist, fährt das Auto wie von Geisterhand gelenkt auf der richtigen Spur.
Effektive Einparkhilfe
Natürlich benötigt der Chrysler 300C aufgrund seiner Größe eine längere Parklücke als ein Smart. Sehr viel länger als der Wagen muss sie aber dank der intelligent arbeitenden Einparkhilfe nicht sein: Zwar erscheint das Auto zunächst etwas unübersichtlich, weil man durch den etwas abfallenden Kofferraumdeckel das Fahrzeugende nicht sieht. Beim Einparken unterstützen aber sieben kleine gelbe und rote LED-Warnlämpchen vorne auf dem Armaturenbrett und oberhalb der Heckscheibe punktgenau, die vor dem Anstoßen in der Mitte und an den Ecken warnen. Sie zeigen den Abstand zu einem vorderen und hinteren Hindernis von 150 bis 15 cm an den Ecken und 30 cm in der Mitte. Ab 40 cm wird die LED rot und ein unterbrochenes bzw. durchgehendes Piepen ertönt.
Unpraktische Anhängerkupplung
Weniger praktisch ist die Anhängerkupplung, die bei dem Testfahrzeug von der Firma Thule stammte. Das Ein- und Ausbauen ist nicht selbst erklärend, so dass entweder Erfahrung oder Experimentierfreude angesagt ist. Wir haben die Gebrauchsanweisung schließlich über Google gesucht und aus dem Internet geladen. Aber selbst dann war die Installation unpraktisch, weil zunächst ein „SmartTurns“ betätigt werden musste, um den die Kupplung einklicken zu können. Aber wie steht das Rad richtig? Es hakte anfangs jedenfalls gewaltig, man erkennt nicht, ob der Schlüssel (zum Abschließen der Kupplung) auf „on“ oder „off“ steht. Erschwerend kommt hinzu, dass das Heck und die tief gezogene Stoßstange sehr niedrig liegen, hinter der sich das gesamte System elegant versteckt. Man muss sich also am besten auf einem Handtuch auf die Knie begeben. Im Dunklen benötigt man eine Taschenlampe, um die herunter klappbare Steckdose zu finden. Da gibt es praktischere Systeme – von der Firma Westfalia zum Beispiel…
Sinnvoller Luxus
Wer sie einmal hatte, möchte sie kaum mehr missen: Ledersitze mit Sitzheizung. Vor allem letztere war – ebenso wie die normale Heizung – extrem schnell warm, was vor allem im Winter nach drei Stunden Reitsport bei minus 5 Grad sehr angenehm ist. Zudem lassen sich die schwarzen Lederpolster leicht reinigen.
Der Testwagen war mit einem komfortablen „uconnect“ Navigations- und Medienpaket ausgestattet, das selbsterklärend und daher einfach bedienbar war. Etwas problematisch war, dass selbst kurz nach einem Verfahren keine „Neuberechnung der Route“ angekündigt wurde, sondern der neue Weg für vorgeschlagen wurde. So bemerkte man gar nicht, dass man durch Umkehren einfacher auf den richtigen Weg hätte zurückkehren können.
Praktisch ist die Bluetooth-Freisprecheinrichtung für maximal 10 Mobilgeräte. Nach Durchlesen der Gebrauchsanweisung waren ein iPhone und HTC HD 2 problemlos per Sprachbefehl zu installieren. Auch die Adresslisten werden aus dem Handy automatisch importiert. Die Sprachsteuerung beim Aufrufen der Namen ist allerdings auch nach Training nicht perfekt – selbst einfachere Namen werden nicht richtig verstanden.
Fazit
Der Chrysler 300C 3.0 CRD ist eine luxuriöse Limousine, die vor allem Freunde großzügiger und bequemer Autos, die gleichzeitig flott unterwegs sind, erfreuen dürfte. Sie eignet sich schon aufgrund der tief liegenden und unpraktisch zu montierenden Anhängerkupplung nicht für den wöchentlichen Turniereinsatz, zumal der Hinterradantrieb auf matschigen Wiesen nicht die Ideallösung ist. Wer aber nur gelegentlich einmal zum Ausreiten oder in einen Reiturlaub fährt, wird mit dem Chrysler 300 CRD sicherlich Spaß haben. Sicherlich gibt es gerade jetzt noch gute Gelegenheiten, diese Fahrzeuge verhältnismäßig günstig zu erwerben, weil die Serie ab diesem Jahr nicht mehr gebaut wird.
Technische Daten:
Länge (mm) | 5015 |
Breite (mm) | 1880 |
Höhe (mm) | 1475 |
Wendekreis (m) | 10,9 |
Kofferraumvolumen | 442 (ohne umgelegte Rückbank) |
Leergewicht2 (kg) | 1.928 |
Anhängestützlast (kg) | 80 |
Anhängelast gebremst, bis 12 % Steigung (kg) | 2.000 |
Motor | V6-Dieselmotor, 2987 cm3 |
Getrieb | 5-Gang-Automatik |
Maximale Leistung | 160 kW/218 PS bei 3800/min |
Maximales Drehmoment | Drehmoment 510Nm bei 1600/min |
Beschleunigung | 0-100km/h 7,6 sec |
Spitzengeschwindigkeit | 230 km/h |
Verbrauch (Herstellerangaben) | Gesamt: 8,1 l Diesel |
Abgas-Norm | Euro 5 mit Partikelfilter |
Neupreis | Ab 41.000 |