Wenn ein Auto einem Traum nahe kommt, dann ist es der Jeep Grand Cherokee in der luxuriösen Ausstattung „Overland“. Für Reiter und ihre teilweise gepäckreichen Reisen steht ein voluminöser Laderaum zur Verfügung, die Anhängerkupplung schwingt elektrisch aus ihrer Halterung und wer einen wirklich großen Anhänger mit mehr als drei Tonnen schleppen möchte: Bis zu 3,5 Tonnen Anhängelast sind für den Jeep mit seinem 3-Liter Sechszylinder Dieselaggregat kein Problem. Nur der Preis mag ein jähes Erwachen bringen: 65.900 Euro kostet die Overland-Ausstattung.
Kein Mensch braucht eine Lenkradheizung. Glaubt man. Bis sie einmal in einem Testwagen da war und man sich dieses „Schnickschnacks“ erinnerte, als es an einem kühlen Aprilmorgen in Hamburg nur sechs Grad hatte. Kurz auf den entsprechenden Button des Touch Screen getippt – und schon durchströmt wohlige Wärme die Hände beim Griff um das Softleder-bezogene Lenkrad. Handschuhe ade. Ich werde sie vermissen, vor allem im wirklich kühlen Winter. Aber der ist ja noch weit weg…
Die Lenkradheizung ist aber nur das i-Tüpfelchen der luxuriösen Overland-Ausstattung (benannt nach dem ersten Jeep-Hersteller Willys-Overland in den USA) im Ur-Typ von amerikanischem Geländewagen. Der Name „Jeep“ ist nicht nur eine Automarke, sondern seit seinem Bestehen 1941 ein Gattungsbegriff für Geländewagen schlechthin. Die elegantere Modellreihe Jeep Grand Cherokee gibt es seit 1992 und sie verkörpert wie kaum ein anders Fahrzeug das Image vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Freiheit und Abenteuer. Das allerdings auf einem sehr hohen Niveau an Leistung und Komfort. Es ist also nicht überraschend, dass der Grand Cherokee zum Begründer des Premium-Segments innerhalb der Kategorie SUV wurde.
Respektable Erscheinung: Groß, breit, hoch
Trotz zahlreicher Überarbeitungen erkennt man auf den ersten Blick: Das ist ein Jeep. Die Karosserie des Grand Cherokee ist mit 4,82 Metern Länge, 1,94 Metern Breite (ohne Außenspiegel) und 1,80 Metern Höhe massig, die Front trägt die markentypischen sieben senkrecht verlaufenden Lüftungsöffnungen im ikonischen Kühlergrill, dazu kommen markante Bi-Xenon Hauptscheinwerfer, in denen, wenn man ganz genau hinsieht, rechts ein kleines Bildchen des „Ur-Jeep“ und links der Schriftzug „Since 1941“ zu sehen ist.
Eine kleine Detailspielerei, die den Stolz auf die Marke verkörpert. Ergänzend leuchtet Tagfahrlicht in LED-Technik. Die Overland-Version kommt auf 20 Zoll großen Leichtmetallrädern im sportlichen Fünfspeichen-Design sprichwörtlich großspurig daher.
Luxuriöses Innen-Design
Zum Öffnen darf der Schlüssel in der Hosentasche bleiben, es genügt ein Druck das kleine Knöpfchen am chromblitzenden Türgriff. Der Einstieg ist moderat hoch, so dass auch kleinere Personen gut auf die bequemen Sitze gelangen, die im Testmodell mit hellbeigem Glattleder bezogen sind. Zur besseren Durchlüftung – die Overland-Ausführung bietet nicht nur Sitzheizung, sondern auch Kühlung an – ist das Leder perforiert und mit Ziernähten versehen.
Einmal eingestiegen, stellt man Fahrersitz inklusive Lordosenstütze, Lenkrad und Spiegel elektrisch auf das passende Maß. Dass diese Einstellungen erhalten bleiben, ist ja an sich nichts Neues. Verlässt man nach der Fahrt den Wagen, senkt sich das ganze Gefährt dank seiner „Quadra-Lift“ Luftfederung um knapp vier Zentimeter ab, der Sitz fährt zurück und das Lenkrad schnurrt in Richtung Armaturenbrett zurück, so dass man komfortabel aussteigen kann. Bei erneutem Start gleitet alles leise surrend wieder in die individuelle Einstellung zurück. Klasse.
Das gesamte Interieur ist sehr hochwertig gestaltet: Im Testmodell mit der Farbkombination „Nepal“ war die obere Hälfte des Armaturenbretts in dunkelbraunem „Jeep Brown“ Leder gehalten, darunter eine Dekorleiste aus Zebrano-Holz, die eine optische Trennung zur „Light Frost Beige“ Innengestaltung des unteren Teils markiert. Auch die Böden und Fußmatten sind in diesem Farbton gehalten. Ob das für den Reiter und eventuellen Hundebesitzer auf Dauer sinnvoll ist, sei dahingestellt, hochelegant sie es auf jeden Fall.
Sehr praktisch ist die Vielzahl von Ablagen und Stauräumen: Große Seitenfächer in den Türen mit Getränkehaltern. In der Mittelkonsole finden ebenfalls zwei Flaschen Platz, dahinter befindet sich eine Mittelarmlehne, unter der zum Beispiel CDs, ein kleines Tablet oder Handy Platz finden. Dort sind auch der CD-Player, eine 12V-Steckdose sowie USB- und AUX-Anschlüsse für den Betrieb der üblichen elektronischen Geräte untergebracht. Die Musik erklingt über zehn Lautsprecher inklusive Sobwoofer.
Ein zentrales Element des Fahrzeugs ist – nicht nur optisch – die Navigations- und Entertainment-Zentrale „Uconnect“ mit ihrem 21,3 Zentimeter großen Touch Screen. An diesem – komplett selbsterklärenden – System werden Radio und Medien, Klima, Navigation und Telefon gesteuert. Auch die Handy-Kopplung war in Sekunden geschehen.
Vorne am Dachhimmel hat die (Sonnen)Brille ihr Fach, gleich daneben sind die Bedienungsknöpfe für das elektrische zweiteilige Glas-Panoramadach und die Sonnenblende angeordnet. Da fast das gesamte Dach aus Glas besteht kommen auch die Fonds-Passagiere in den Genuss der Rundumsicht. Und nicht nur das: Bei geöffnetem Dach ergeben sich bis 100 km/h keine unangenehmen Fahrgeräusche.
Platz haben ist besser als Platz brauchen
Was brauchen wir noch für die (Reiter)Reise? Viel Platz im möglichst flexiblen Gepäckraum natürlich, um fallweise auch eine Futtertonne einladen zu können. Hier liegt der Grand Cherokee mit 782 Litern im Standardkofferraum und 1.554 Litern bei umgeklappten Rückbänken im Mittelfeld üblicher SUVs. Wer allerdings einmal darin schlafen möchte, kann das auf zwei Metern Länge auf komplett ebener Fläche sicherlich recht bequem tun. Die hellbeige Ausstattung ist allerdings gerade im Gepäckraum eines Reiterautos weniger praktisch.
Auch die Passagiere im Fonds haben’s bequem: Verstellbare heizbare Sitze, warme oder kalte Luft aus verstellbaren Düsen und eine riesige Mittelarmstütze mit zwei Getränkehaltern sowie zwei USB-Anschlüsse für Elektronik aller Art sorgen für eine entspannte Fahrt auch auf langen Strecken.
Vorbereitung zur Anhängerfahrt
Wer kennt es nicht, das lästige Anbringen der abnehmbaren Anhängerkupplung: Damit ist hier Schluss. Denn der Jeep Grand Cherokee verfügt – natürlich möchte man fast sagen – über eine elektrisch bedienbare Anhängerkupplung, die auf Knopfdruck unter der Stoßstange herausschwenkt und automatisch einrastet. Dafür brauchen wir uns also nicht mehr zu bücken oder gar auf die Knie herabzulassen. Auch der Anschlussstecker für die Beleuchtung gleitet neben dem Kupplungskopf heraus. Daran kann man sich gewöhnen. Allerdings hat der Luxus auch hier mit rund 3.000 Euro seinen Preis.
Bleibt noch der Ankupplungsvorgang selbst, der dank der wirklich perfekten Rückfahrkamera zum Vergnügen wird: Zwei grün-gelb-rote Linien weisen den Korridor nach links und rechts aus und aufgrund der ausgefahrenen Anhängerkupplung erscheint zusätzlich eine schwarze gestrichelte Linie, die den genauen Weg auf die Mitte des Anhängers anzeigt. Punktgenau und genial einfach. Das häufige Aussteigen und Kontrollieren am Turniermorgen um vier kann also entfallen, der Einweiser auch.
Spurtstark mit 3,5 Tonnen Anhang
Egal ob mit oder ohne Pferdeanhänger: Der Jeep Grand Cherokee ist dank seiner Motorisierung mit einem 3.0 V6 Turbodiesel und 250 PS (184 kW) im permanenten Vierradantrieb spurtstark unterwegs und stellt sein größtes Drehmoment von 570 Newtonmetern bei 2.000 Umdrehungen zur Verfügung. Selbst mit dem 3,5 Tonnen schweren und großvolumigen Ifor Williams Eventa Pferdeanhänger, der durch seine Wohnwagenform eine eher ungünstige Aerodynamik aufweist, war die Beschleunigung nicht nur anfangs, sondern auch bei 100 km/h und darüber, zum Beispiel auf der Beschleunigungsspur der Autobahn, nicht das geringste Problem und das Gespann lag jederzeit satt auf der Straße. Dafür mag auch die Anhängerstabilisierung, eine Erweiterung des ESP-Systems sorgen. Dank des serienmäßigen Achtstufen-Automatikgetriebes geschehen die Schaltvorgänge selbst beim Kickdown unbemerkt, was vor allem auf kurvigen Landstraßen sehr angenehm ist. Man könnte mit Wippen manuell schalten, aber wer braucht das schon…. Mit 11,6 Metern Wendekreis ließ sich das Gespann auch gut rangieren.
Der Kraftstoffverbrauch lag mit Anhänger im Landstraßen-Autobahn-Mix bei rund 12 Litern, was für ein Fahrzeug mit rund 2,5 Tonnen Eigengewicht ein anständiger Wert ist.
American Highway Feeling
Komfortabel sitzen, rundum viel Platz und das leise Brummen des Motors – da kommt Urlaubs-Feeling auf, das an unbeschwerte Fahrten auf amerikanischen Highways erinnert. Das Rollen im Geschwindigkeitsbereich zwischen 100 und 170 km/h ist die „Kernkompetenz“ des Jeep Grand Cherokee. Zwar beschleunigt er von 0 auf 100 km/h in 8,2 Sekunden und tut dies auch weiter im höheren Tempo vor allem im Automatik-Modus „Sport“ flott, das möchte man aber hauptsächlich zum Überholen nutzen. Für permanente Hochgeschwindigkeitsfahrten jenseits der 170 km/h ist er nicht gebaut und wird im Kurvenbereich ein wenig schwammig. Bei 202 km/h ist dann ohnehin die Spitze erreicht.
Entspannung und Gemütlichkeit sind Trumpf in diesem Wagen. Dazu tragen vor allem die Fahrerassistenzsysteme bei wie zum Beispiel die ACC bei. Die „Adaptive Cruise Control“ hält den per Tempomat eingestellten Abstand zum vorderen Fahrzeug, bremst sanft ab, wenn sich dieser verringert und beschleunigt wieder, wenn es vorne schneller geht. Noch bequemer kann speziell die Reise einem Pferdeanhänger im Schlepptau nicht sein, die sich ja meistens auf der rechten Spur in der LKW-Kolonne abspielt. Und wenn es einmal eng wird, springt das Kollisionswarnsystem ein und bremst den Wagen ab, bevor es kracht. Eine sinnvolle Sicherheitseinrichtung ist auch der Totwinkelassistent, der immer dann warnt, wenn ein Fahrzeug außerhalb der Sichtbarkeit im Spiegel zu nahe kommt.
Straßen-, Sand- und Schlamm-tauglich
Eine Besonderheit des Jeep Grand Cherokee sind die verschiedenen Vierradantriebsysteme, die uns Reitern die Fahrten zu Veranstaltungen, oft genug mit unzureichenden Zuwegungen oder Parkplätze auf Wiesen- oder Sanduntergrund, erleichtern.
Das Testmodell der Overland-Ausstattung ist mit dem Vierradantrieb „Quadra-Drive II“ ausgestattet, das mit dem elektronisch geregelten Hinterachs-Sperrdifferenzial (ELSD) immer für optimale Traktion auf der Straße sorgt. Auf normalen Straßenbelägen regelt das Verteilergetriebe die Drehmomentverteilung mit einem Verhältnis von 48:52 zwischen Vorder- und Hinterachse. Auf rutschigem Untergrund – oder beim starken Beschleunigen – leitet Quadra-Drive II automatisch mehr Drehmoment an die Achse, die in der jeweiligen Situation die bessere Traktion aufbaut.
Auf unserer Fahrt in den Reiturlaub und speziell auf dem nassen Parkplatz konnte sich das Programm „Mud“ beweisen, in dem der Wagen problemlos durch den Schlamm spurte, während andere abgeschleppt werden mussten. Es ist einer von fünf Fahrmodi (neben „Auto“ gibt es noch „Sand“, „Mud“, „Snow“ und „Rock“), die im Rahmen des Selec-Terrain-Systems im serienmäßigen Offroad-Paket zur Verfügung stehen. Auf Asphaltstraßen befindet man sich im Programm „Auto“.
Moderat durstig
Als Durchschnittsverbrauch sind herstellerseitig bei einem CO2 Wert von 198 g/km 9,3 Liter für Stadtverkehr, 6,5 Liter für Landstraßen und 7,5 Liter im Durchschnitt angegeben. Damit kamen wir auf den Testfahrten auch ohne Anhänger nicht aus – im Durchschnitt pendelte sich der Verbrauch eher auf acht bis neun Liter ein. Mit dem 93-Liter-Tank kommt man aber dennoch sehr weit.
Eine innovative Idee für saubere Hände: Der Tankverschluss hat keinen aufschraubbaren Deckel mehr, sondern lediglich Lamellen, die respektvoll zur Seite gleiten, wenn man den Tankstutzen einführt.
Fazit
Der Jeep Grand Cherokee ist großes, aber dennoch elegantes Fahrzeug, das sich durch seine hohe Anhängelast von 3,5 Tonnen vor allem für Besitzer großer Pferdeanhänger bestens eignet. Aber auch ohne Anhang macht das gemütliche Rollen einfach Spaß. Das 190-PS-starke Einstiegsmodell „Laredo“ kostet 46.600 Euro, die 250 PS Leistung gibt es erst ab der umfangreicher ausgestatteten Version „Limited“ 56.300 Euro. Der luxuriöse Overland 65.900 Euro.