Die Cayenne-Reihe wurde 2002 auf den Markt gebracht und ist das meistverkaufte Modell der Zuffenhausener Sportwagenschmiede. Mit-Pferden-reisen hatte die Version Cayenne S Diesel im Test, in dem sich das hochathletische SUV für alle Anforderungen eines Reiter-Zugfahrzeuges perfekt bewährte: Mehr als ausreichend Kraft, stattlicher Gepäckraum und 3,5 Tonnen Anhängelast. Und dazu noch jede Menge Spaß. Allerdings hat das alles seinen Preis: Bei gut 87.000 Euro geht’s los…
Nicht, dass es unbedingt sein müsste, von 0 auf 100 in 5,3 Sekunden, angetrieben von 385 PS V-8-Diesel mit zwei variablen Turboladern mit 4 Litern Hubraum. Auch ein Drehmoment von 850 Newtonmetern und die Spitzenleistung von 252 km/h braucht kein Mensch. Nein, es muss nicht nur nicht sein, es ist sogar total unvernünftig. Einmal aus Gründen der Sicherheit (was ist, wenn jetzt ein Reifen platzt, eine Ölspur kommt?) und noch viel mehr wegen der immer wieder diskutierten Umwelt, der wir nicht zu viel CO2 zumuten sollten. Ja, man könnte auch bedächtiger, spritsparender und überhaupt kommt man auch mit Tempo 130 an. Und zum Ziehen eines Pferdeanhängers braucht man diese Spitzensprints schon gar nicht. So oder so ähnlich war die Argumentation, bevor ich in einem Porsche Cayenne S saß, zu Beginn der Testwoche auf der Überführungsfahrt von Stuttgart Zuffenhausen nach Hamburg.
Adrenalin pur
Wie gesagt, es muss nicht sein. Aber es durchströmt einen Adrenalin pur, mit durchgedrücktem Gaspedal den Beschleunigungsstreifen der Autobahn zu verlassen und – just for fun – an den anderen vorbei zu schießen. Oder bei 180 per Kickdown zu beschleunigen, dabei durch den Schub quasi aus der Hinterhand tatsächlich noch einmal ins bequeme Lederpolster gedrückt zu werden und lediglich an der Tachonadel die reale Geschwindigkeit von 230 km/h zu erkennen. Freie Autobahn vorausgesetzt, natürlich. Und die war an jenem Tag so wenig befahren, dass die 660 Kilometer mit einem Durchschnittstempo von 110 und gelegentlichen Spitzen von bis zu 230 km/h quasi im Flug vorbei waren. Straßenlage und Lenkung bleiben bis zuletzt perfekt stabil. Das liegt u.a. an der Luftfederung mit Niveauregulierung, die das Fahrzeug geschwindigkeitsabhängig absenkt.
Und wenn der Fahrtraum etwa durch einen auf die linke Autobahnspur einscherenden Wagen jäh durchbrochen wird, bringt einen die fein abgestimmte Hochleistungsbremsanlage sicher in die Realität zurück.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Unebenheiten auf Land- oder Dorfstraßen den Fahrkomfort nicht beeinträchtigen – der Cayenne rollt einfach darüber hinweg.
Das Überraschende nach dem kleinen Abenteuer: Ich stieg völlig erholt aus, keine Spur von Ermüdungserscheinungen nach so einer – in Kilometern – langen Fahrt, nach der man oftmals typisch „gerädert“ ankommt. So erholt, dass ich gleich zum Stall fuhr und noch zwei Stunden ausgeritten bin.
Aber natürlich gibt es abgesehen vom schieren Fahrspaß zahlreiche Argumente, die den Porsche – abgesehen vom legendären Image – zu einem SUV machen, das auch aus Vernunftsgründen Sinn macht.
Schon fast Understatement
Vom Exterieur her präsentiert er sich eher unspektakulär, schnörkellos und ohne besondere Auffälligkeiten: Glatte, abgerundete Oberflächen mit taillierten Seitenlinien, leicht nach unten gezogene, sportliche Schnauze mit oval nach hinten gezogenen Scheinwerfern. An der Front dominiert der große schwarze zentrale Kühlergrill mit je einem Lufteinlass rechts und links unter den Scheinwerfern. Auch im nahezu Coupé-artigen Seitenbild wirkt der Cayenne harmonisch abgerundet und nicht protzig, erst der Blick in die Maße offenbart die wahre Größe: Mit 4,85 Metern Länge und 1,93 Metern Breite ist es doch ein stattliches Fahrzeug, neben dem ein Audi Q5 geradezu schmächtig wirkt. Für ein SUV ist er mit 1,70 Metern relativ niedrig, andere „große“ Modelle wie der Jeep Grand Jerokee oder der Range Rover Sport sind gut zehn Zentimeter höher. Die Abgasanlage mit vier Auspuffendrohren lässt allerdings auf ordentlich Leistung schließen, ebenso wie die 19-Zoll-Räder und 255er „Puschen“.
Relaxed fahren, erholt ankommen: Cockpit mit Stressless-Sitzen
Über die verchromte Trittleiste mit Cayenne-Schriftzug eingestiegen, sinkt man in den superbequemen grauen Ledersportsitz, der den Körper umfängt wie eine maßgeschneiderte Schale. 18-fach sind sie – natürlich – elektrisch einstellbar und erinnern sich später auch an den programmierten Fahrer. Als Sonderausstattung ist der Fahrzeughimmel hier nicht mit schnödem Stoff bespannt, sondern mit ebenfalls grauen Alcantara, das dem gesamten Interieur ebenso wie die Aluminiumleisten eine angemessen noble Note verleiht.
Die Breite des Innenraums, insbesondere der Mittelkonsole mit 4,8-Zoll-Farbdisplay und zahllosen Bedienungselementen assoziiert eher ein Flugzeugcockpit als ein Auto. Oberhalb des Rückspiegels können per Knopfdruck das über die gesamte Länge reichende Panoramadach, die Innenbeleuchtung und auch das – falls vorhanden – elektrische Garagentor bedient werden. Auch wenn die meisten Schalter mit Funktionslämpchen selbst erklärend sind, ist doch anzuraten, die umfangreiche Bedienungsanleitung genau zu studieren, um Komfort und Fahrspaß in allen Dimensionen genießen zu können. Die hinteren Passagiere sitzen ebenfalls bequem, je nach Wetter individuell geheizt oder gekühlt.
Vom Rollen, Segeln und Sportsprints
Der Testwagen wird traditionell mit Zündschlüssel – porschetypisch links – gestartet. Um den kräftigen Sound zu genießen, muss man allerdings die Tür zunächst offen lassen, weil die Geräusch- und Wärmeschutzverglasung so hervorragend ist, dass lediglich ein sonores Brummeln im Fahrerraum ankommt.
Der Fahrerblick fällt in der Instrumentenanzeige auf den zentralen Tourenzähler mit unten eingeblendeter Digitalanzeige zur Geschwindigkeit. Der Bordcomputer liefert zudem die heute üblichen Informationen wie Fahrzeiten, Strecken, Durchschnittsverbrauch und -geschwindigkeit. Der Tank fasst 100 Liter, das ist auch für längere Fahrten im höheren Tempo ausreichend.
Der Fahrer hat die Wahl zwischen drei Fahrmodi, in denen Motoragilität, Lenkung und Dämpfung unterschiedlich angepasst werden: Für genüssliches Rollen ist keine besondere Einstellung erforderlich, deutlich dynamischer wird es nach der Aktivierung „Sport“-Modus und höchst sportlich im „Sport Plus“. Letzteres empfiehlt die Gebrauchsanweisung als Rallyegang für Rennstrecken. Zusätzlich kann das Stoßdämpfersystem in drei Stufen eingestellt werden.
Schalten mussten wir im Cayenne nicht, das übernahm nahezu unbemerkt die Achtstufenautomatik mit Tiptronic, die auch manuelles Schalten mit rechts und links neben dem Lenkrad liegenden Paddels ermöglicht.
Beim neuesten Modell unterstützt zudem die „Segelfunktion“ das – immer in Relation zur Leistung zu betrachtende – spritsparende Fahren mit abgekoppeltem Motor: Dafür muss der Fahrer zum Beispiel bei leichtem Gefälle oder auf gerade Autobahnstrecke das Gaspedal langsam loslassen, worauf die Segelfunktion die Bewegungsenergie des Fahrzeugs zur Überwindung der Fahrwiderstände nutzt.
An der Ampel oder im Stau hilft die schnell reagierende Start-Stopp-Automatik berteits beim Ausrollen, wertvollen Diesel zu sparen. Sie arbeitet allerdings nicht im Sportmodus oder im Anhängerbetrieb. Letzteres ist natürlich gerade mit Pferdeanhänger im Stau schade.
Mit Fahrerassistenzsystemen war das Testmodell eher sparsam ausgestattet: Zum üblichen Tempomat gab es noch einen Spurverlasswarner, der die Annährung oder das Überfahren eines Seitenstreifens mit einem leichten Vibrieren kommentierte.
Auf der Autobahn schnell gefahren, meldete die Bordinformation einen Verbrauch von zehn Litern, reell getankt waren es dann doch 11 Liter Diesel, im normalen Stadt-Land-Autobahn-Mix pendelte er sich auf knapp zehn Liter ein. Das erscheint recht viel, ist aber angesichts der Leistung ein guter Wert,
Das perfekte Zugfahrzeug
Der starke Motor und das hohe Eigengewicht von rund 2,3 Tonnen machen den Cayenne S zu einem perfekten Zugfahrzeug, das bis zu 3,5 Tonnen ziehen darf.
Die Anhängerkupplung gleitet auf Knopfdruck aus ihrer Halterung und rastet hörbar ein.
Das anschließende Heranfahren an den Pferdeanhänger wird durch die Rückfahrkamera, deren Führungslinien den genauen Fahrweg vorauszeichnen, zum einfachen Manöver. Millimetergenau unter dem Zugmaul geparkt, ist der Anhänger schnell heruntergekurbelt und die Elektrik rechts neben der Kupplung angeschlossen. Und los kann’s gehen, nachdem die Pferde eingeladen sind.
Sobald der Anhänger angeschlossen ist, erinnert ein kleines Anhängersymbol in der Instrumententafel den Fahrer an seinen Anhang, in unserem Fall an den 2,4 Tonnen schweren Thiel Primus. Und das ist gut so, denn am Fahrverhalten ändert sich rein gar nichts. Auch nicht an den Steigungen im Harz, in den wir zu einem Reiturlaubswochenende fuhren. Und behindert einmal ein „Sonntagsfahrer“ die flotte Fahrt: Blinker raus, ein kleiner Druck aufs Gaspedal und schon schnurrt das Gespann souverän an Schnarchnasen, Traktoren oder anderen vermeintlichen Hindernissen vorbei. Diese Kraftreserven dienen nicht nur dem Fahrspaß, sondern letztlich auch der Sicherheit. Um auch auf unfreundlicherem Terrain zurechtzukommen bietet der Allradler ein Offroad-Programm, in dem die Traktion automatisch auf Geländeanforderungen abgestimmt wird.
Mit Pferdeanhänger, überwiegend auf der Autobahn mit 100 km/h gefahren, lag der Verbrauch um die 11,5 Liter Diesel.
Für die große Reiterreise: Der Gepäckraum
In Anbetracht der Größe brauchen sich auch Reiter mit umfangreichem Gepäck keine Sorgen zu machen: Die Ladeklappe ist elektrisch bedienbar, der Kofferraum per Knopfdruck praktisch abzusenken. Er fasst bei normal gestellten Rücksitzen 618 Liter bzw. maximal 1728 Liter und 662 Kilogramm Zuladung. Die Sitze sind ganz einfach 40:20:40 umzuklappen und haben in der Mitte eine Durchladefunktion für längere Gegenstände wie zum Beispiel Paddock-Stangen oder lange Gerten. Haken für Taschen gibt es keine, dafür kann ein Gepäcknetz über den Teppich-verkleideten Ladeboden an Ösen gespannt werden. Im doppelten Boden befindet sich anstatt eines Reserverades das Herz des Bose-Soundsystems.
Fazit
Der Porsche Cayenne S Diesel ist ein elegantes und gleichermaßen hochsportliches Fahrzeug, das dem Gattungsbegriff „Sports Utility Vehicle“ in jeder Hinsicht alle Ehre macht. Abgesehen vom garantierten Fahrspaß, bringt er für das perfekte Reiter-Zugfahrzeug ausreichend Raumangebot für Passagiere sowie Gepäck und natürlich 3,5 Tonnen Anhängelast mit. Bleibt da nur noch ein klitzekleiner Haken zu bedenken, bevor man im webbasierten Konfigurator euphorisch beginnt, sein Traumauto virtuell zusammenzubauen: Der Preis für die Serienausstattung liegt bei 87.442 Euro, in dem hier vorgestellten Testwagen summierten sich die zahlreichen Extras auf stolze 120.000 Euro.
Technischen Daten
Länge (mm) | 4.855 |
Breite (mm) | 1.939 |
Höhe (mm) | 1.705 |
Bodenfreiheit (mm) | 210 |
Kofferraumvolumen (Liter) | 670 – 1780 |
Wendekreis (m) | 11,95 |
Leergewicht (kg) | 2.293 |
Zuladung (kg) | 662 |
Anhängelast gebremst, bis 12 % Steigung (kg) | 3.500 |
Stützlast | 125 kg |
Motor | 4,1 l 8-Zylinder Bi-Turbodiesel |
Maximale Leistung | 283 kW (385 PS) |
Maximales Drehmoment | 850 Nm bei 2.000 bis 2.750 Umdrehungen/min |
Beschleunigung | 0 – 100 in 5,2 sec |
Höchstgeschwindigkeit | 252 km/h |
Verbrauch in Litern (Herstellerangaben) | Stadt: 10,3; außerhalb 7,2; gesamt 8,2 |
Schadstoffklasse | Euro 6 |
CO2-Emission (g/km) | 215 |
Versicherungsklasse Haftpflicht + Teilkasko + Vollkasko | 23 (HP), 26 (TK) 30 (VK) |
Neupreis € | Ab 87.442 Euro; Testwagenausstattung 120.000 Euro |