Auf einer dreiwöchigen Reise durch Texas gibt es viele Höhepunkte. Dazu gehören neben dem urigen „Cowboy Campout“ nördlich von Houston und dem korrekten Westernreiten im Hill Country auf jeden Fall der Big Bend State Park mit seinen atemberaubenden Wüstenlandschaften und das Städtchen Abilene, in dem sich waschechte Ranch Cowboys mit ihrer täglichen Arbeit auf dem „Western Heritage Classic Rodeo“ im Wettbewerb messen.
Der Weg geht steil bergauf, über uns die erbarmungslos heiße Sonne am hellblauen texanischen Himmel, unter uns das Knirschen harter Steine unter den Hufen. Die Pferde tragen alle breites Vorderzeug und Schweifriemen, weil die Sättel sonst auf den extrem steilen Wegen verrutschen würden. Schritt für Schritt erklimmen wir die Anhöhe. Das zunehmende Schnaufen der Tiere – insgesamt sieben auf unserer Halbtagestour – signalisiert die Anstrengung selbst für solche, die in diesen Bergen geboren, aufgewachsen und täglich trainiert sind. „Wir kaufen die Pferde, meist Quarter Horses, am liebsten hier in der Gegend, weil sie das Gelände von klein auf gewöhnt sind. Andere müssen wir zu lange antrainieren, bis sie damit klar kommen“, erklärt Wrangler Janelle de Grote, 38 Jahre alt, Profitrainerin und seit sechs Jahren als General Manager bei den Lajitas Stables tätig.
Wir haben die Contrabando Mesa Tour um 9.00 Uhr mit Lunch gebucht und bestaunen mit jedem Schritt mehr und mehr die atemberaubenden Weiten und Aussichten.
Die schmalen Wege führen durch die spärlich mit niedrigem Gestrüpp und Kakteen bewachsene Chihuahua Desert Ecoregion, in der es nur fünf bis zehn Prozent Luftfeuchtigkeit gibt. Regelmäßiges Trinken ist absolutes Dogma, auch wenn man keinen Durst verspürt. Janelle hat jedem von uns einen Jutesack mit vier Halbliterflaschen Wasser an den Sattel geschnallt mit der Bemerkung, diese auch zu trinken. „Wer das vergisst, dehydriert über kurz oder lang. Das macht sich erst mit Kopfschmerzen, später mit Übelkeit bemerkbar und das wollen wir auf jeden Fall vermeiden“, meint sie schmunzelnd. Der Weg bringt uns auch zum sog. „Spanish Window“ mit dem spektakulären Blick auf die südlichen Flanken der Solitario Geological Formation, einer kreisrunden Felsformation mit etwa 16 Kilometern Durchmesser.
Nach nahezu drei Stunden stechender Sonne auf dem – aus Sicherheitsgründen mit Helm behüteten Kopf – freuen sich alle Reiter auf den Lunch in einem kleinen Canyon, der wenigstens anfangs noch ein wenig Schatten bietet. Janelle zaubert aus ihren Satteltaschen Köstlichkeiten wie gebratenes Hähnchen, Salat, Käse, Brot und Obst. Alles wird teilweise mit freudiger Hilfe der Mitreiter mundgerecht geschnitten, dann heißt es „Das Büffet ist eröffnet“.
Nach der gut einstündigen Pause geht es in etwa einer Dreiviertelstunde wieder zurück zu den Lajita Stables und ins Hotel, wo nun die Annehmlichkeiten des Pools warten, bevor es auf den Sunset Ride geht.
Sunset Ride in der Mondlandschaft
Obwohl der Sunset Ride nur etwa 20 Kilometer nordwestlich von Lajitas nahe der heutigen Ghost Town Terlingua liegt, zeigt sich die Landschaft hier völlig anders. Zwar geht es auch hier auf Hügel bergauf und bergab, die Berge bilden oben teilweise plateauartige Ebenen, teilweise blickt man auf schroffe Mondlandschaften.
Da wir heute Abend mit Janelle alleine reiten, kann man die Weite und Ruhe genießen, unterbrochen nur durch das Knirschen der Hufe und gelegentlichem Vogelgezwitscher. Wir reiten durch ausgetrocknete Flussbetten ebenso wie auf locker sandigen Wegen und hartem Gestein. Die Gesteinsfarben wechseln von ockergelb bis dunkelrot, was auf die Cinnabarit-Vorkommen zurückzuführen ist. Bis zum Zweiten Weltkrieg war der Terlingua District aufgrund der umfangreichen Vorkommen dieses Minerals das drittgrößte Quecksilber-Abbaugebiet der Vereinigten Staaten und einige Restbestände von Minen weisen noch darauf hin.
Die Vegetation – dürres Gestrüpp und Kakteen – lässt hier ebenfalls große Dürre vermuten, wenn auch ein paar grünere Sträucher und seltene Blüten beweisen, dass gelegentlich doch ein paar Tropfen Regen fallen. Auch heute bilden sich dunkle Gewitterwolken am Horizont, die aber lediglich zur Betonung der malerischen Farben des Abendhimmels beitragen.
Margaritas und Award Winning Chili
„Bring me two pina coladas, one for each hand,
let’s set sail with Captain Morgan and never leave dry land“…
klingt es aus den Lautsprechern der Country Band im „Starlight Theatre and Saloon“. Es gilt als das beste Restaurant mit Texmex-Food und Feeling der „Ghost Town Texas“ bei Terlingua. Anstatt der Pina Coladas gibt es eine große Auswahl landestypischer Margheritas mit Salzrand und das “Award Winning Terlingua Chili with Cheese and Onions“ mundet nicht nur hervorragend, sondern bringt nach den schweißtreibenden Ritten auch die nötige Portion Salz und Pfeffer in den Körper.
Zur Sache, Cowboy!
Das Publikum erhebt sich, Hüte werden vor der Brust gehalten und die Köpfe ehrfurchtsvoll gesenkt. Beten ist angesagt. Wir sitzen nicht, wie man vielleicht vermuten möchte, in der Kirche, sondern auf einem von dem Haflinger „Butter“ gezogenen weißen Einspänner inmitten der Grand Opening Parade für das „Western Heritage Classic“ Ranch Rodeo in dem kleinen Städtchen Abilene, das wir nach langer Autobahnfahrt vom Big Bend Park aus erreicht haben. Der besinnliche Teil endet mit dem gemeinschaftlichen und inbrünstigen Singen der Nationalhymne, deren Refrain in zwei Zeilen einen Großteil des US-amerikanischen patriotischen Denkens vermittelt:
„This star-spangled banner! Oh may it wave
O’er the land of the free and the home of the brave!”
Und „brave“, also tapfer, müssen sie in gewisser Weise schon sein, die Ranch Cowboys, die beim heiteren Teil des Rodeos u.a. nicht nur die berühmten „längsten acht Sekunden der Welt“ auf einem bockenden Pferd möglichst elegant aushalten. Sie stürzen sich vom Pferd aus auf mit ihrem ganzen Gewicht auf junge Bullen, um diese umzuwerfen – nichts für Tierschützer übrigens – und melken ausgewachsene wilde Kühe, die gar keinen Spaß verstehen, wenn man ihnen zwischen die Beine greift. Spannend und spaßig zugleich ist auch das Team Penning, in dem drei Reiter die Aufgabe haben, vier definierte Jungrinder, die dafür eigens Nummern auf dem Rücken tragen, aus einer Herde heraus in einen Gitterkäfig, den Pen, zu treiben. So einfach es theoretisch klingen mag, so schwierig kann es in der Realität sein. Denn die kleinen Rinder versuchen, einmal aus der Herde herausgetrieben, blitzschnell wieder zurückzukommen. Selbst das sprintstarke Quarter Horse hat da manchmal das Nachsehen…
Western Tradition bewahren
Das Western Heritage Classic ist – anders als die bekannten Profiveranstaltungen in Las Vegas oder Fort Worth zum Beispiel – ein Amateur-Rodeo, dessen Ursprünge auf das Jahr 1985 zurückgehen. Damals trafen sich die Cowboys einiger großer Ranches aus der Umgebung in Teams auf, um in Wettbewerben herauszufinden, welche „Working Ranch“ die beste war. Seit den Anfängen mauserte sich der kleine lokale Wettbewerb zu einem internationalen Event, das neben dem sportlichen Spaß auch das Ziel hat, das Erbe der Westerntradition zu bewahren. Um den Besuchern – mehrheitlich Familien und auch internationale Touristen – diese Tradition und das Verständnis für diesen speziellen Lifestyle näher zu bringen, gibt es auch u.a. ein „Chuckwagon Cookoff“, Western-Kunst Shows, die weltgrößte Ausstellung für Gebisse und Sporen und jede Menge Attraktionen für Kinder.
Neben dem sportlichen Wettbewerb, der so manchen Teilnehmer eine gehörige Portion Staub schlucken lässt, gibt es natürlich – wir sind hier in Amerika – bunte Showeinlagen: Am faszinierendsten das Bild „Good N Broke Limo: Hier zieht das Pferd einen offenen Oldtimer in die Arena und präsentiert seine Rittigkeit und Nervenstärke anschließend in den schwierigsten Lektionen ohne Zaumzeug mit gleichzeitigem Revolverknallen. Am Ende reitet(!) der Cowboy das Pferd in das Auto, wo es vornehm auf dem speziell groß bemessenen Rücksitz Platz nimmt und von seinem Reiter hinauschauffiert wird. Einmalig…
Nicht minder beeindruckend ist der Sechsspänner mit Clydesdales der berühmten Budweiser Brauerei, die, man glaubt es kaum, Trab- und Galopptraversalen vor dem Wagen präsentieren. Von wegen schwerfällige Kaltblüter.
Starke Unterstützung erfahren die Ranch Rodeos auch von der Working Ranch Cowboy Association (WRCA), deren Repräsentation Mandy Morton erklärt, wie wichtig diese Veranstaltungen sind, um den auch heute noch reale Cowboy-Beruf ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken: „Ein Großteil der Amerikaner kennt den Cowboy als strahlenden Held nur aus John Wayne-Filmen. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Junge Cowboys sind Tagelöhner für rund 100 Dollar am Tag, die mit ihren eigenen Pferden und Transportern von Ranch zu Ranch fahren und dort Arbeiten wie Rindersortieren, Impfen und Brennen erledigen. Ältere Cowboys, oft verheiratet mit Kindern, sind eher angestellt, aber beide arbeiten in einem Niedriglohnsegment. Die WRCA lebt von Sponsoren und Privatspenden, die als Unterstützung in Notzeiten, etwa im Krankheitsfall oder als Stipendium für Collegebesuche der Cowboy-Kinder ausgezahlt werden. Die Einnahmen eines Ranch Rodeos kommen zumindest teilweise ebenfalls der WRCA und damit wiederum den Cowboys zugute“, so Mandy Morton.